Die Bassgitarre von Sting sieht arg abgewetzt aus, so, als hätte er in den letzten Jahrzehnten ordentlich das Brett geschrubbt. Die Sache täuscht ein wenig, das Zupfgerät ist nur auf alt gemacht, das gilt in der Branche neuerdings als schick. Als sollten die Instrumente sagen: Seht her, wir sind vom harten Rock'n'Roll-Leben gezeichnet. Das stimmt natürlich gerade bei Sting so nicht ganz, denn er stand zwar in den vergangenen drei Jahrzehnten fast ständig auf der Bühne, aber in den vergangenen 24 Jahren eben nicht mit The Police. Stattdessen hat er als Solokünstler ziemlich die Luft rausgelassen aus dem Ska-Reggae-Rock'n'Roll, mit dem The Police ab 1977 den Rockladen in nur sechs Jahren so aufmischten wie nur wenige Bands vor ihnen. Mit fünf Alben hatten sie sich auf den Gipfel der Massenanbetung gespielt, bis sie nach einem Egocrash die weiße Fahne schwenkten.
Dass sie wieder zusammenkamen, ist nicht zuletzt dem Ego von Sting geschuldet. Er, der nie wieder Polizist sein wollte, stellte nach seiner CD mit Lautenmusik aus der Renaissancezeit fest, dass er sich selbst und die Leute nur noch mit einer Wiedervereinigung der Band überraschen könnte. Es ist die Sensation des Jahres, die sich in Hamburg beim ersten der vier Deutschlandkonzerte allerdings verhältnismäßig wenige Leute anschauten. Das Stadion war am Dienstagabend lediglich halb gefüllt, was auch an den Eintrittspreisen von bis zu 120 Euro gelegen haben dürfte.
Wer das Geld dennoch berappte, dürfte es nicht bereut haben, denn das Trio bot ein furioses Konzert, über dem kein bisschen Oldierockpatina lag, wozu die spartanische Bühnenshow beitrug. Drei gestandene Männer rockten, nicht mehr und nicht weniger. Sting zeigte sich im Muskelshirt und mit blondem Bürstenhaarschnitt nicht nur äußerlich kaum gealtert. Vor allem seine Stimme hat nichts von ihrer Intensität eingebüßt, wenngleich sie weniger schneidend ist als früher. Aber der Brite singt so, als würde er all die Energie herauslassen, die er in seiner Solokarriere ein wenig unterdrückte. Hier spürt man, was den Unterschied von Sting plus Musikern und The Police ausmacht.
Natürlich gefällt sich der Bassist in der Rolle des Chefs, aber er ist nicht der Alleinunterhalter. Gitarrist Andy Summers und Schlagzeuger Stewart Copeland sind alles andere als simple Begleitmusiker, sie sind die anderen Eckpfeiler des magischen Dreiecks namens The Police. Vor allem der Drummer bringt Druck auf den Kessel, den Sting mit seinem Gesang gelegentlich doch deckelt, in dem er einen frühen, sehr punkigen Song wie 'Next To You' etwas weicher macht, stadionrockkompatibel. Andererseits rettet er einen fast plattgenudelten Hit wie 'Roxanne' vor dem Mitklatschtod. Der Solo-Sting hatte ihn ja meist sehr fragil dargeboten, als Kuschelrock für Intellektuelle. Hier ist er endlich wieder ein Kracher. Nur 'Every Breath You Take' gerät allzu schunkelig. Es überwiegt jedoch der schöne Eindruck, dass die alten Hits nicht eins zu eins serviert werden, stattdessen mit neuen Nuancen, die zum Beispiel 'Message in the Bottle' oder 'Wrapped Around Your Fingers' eine faszinierende Frische verleihen. Und für ein bisschen Ironie war auch noch Platz. Bei 'Walking in Your Footsteps' tappste auf dem Video ein Saurierskelett über die Superstarköpfe hinweg.
© Maerkische Allgemeine by Gunnar Leue